NS-Gesinnungsschnüffelei I

Amtssekretär Bauer „entpuppt sich jetzt als Konjunkturritter erster Güte“

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Rathaus und in den Ämtern setzten sie schon im Mai 1934 eine Untersuchungskommission ein, um die kommunale Stellenbesetzung und die Amtskasse zu überprüfen. Politisch anders denkende Beamte sollten so aus dem Dienst entfernt und Propaganda gegen den „alten Parteien-Schlendrian“ gemacht werden. In einem als „Geheim“ eingestuften fünfseitigen Vorbericht für den NSDAP-Kreisbeauftragten für Kommunalpolitik in Recklinghausen, Rottmann, finden sich politische Begutachtungen über Dorstener Verwaltungs- und Polizeibeamte. Darin steht bei der Beurteilung von Amtsoberinspektor Brauckhoff:

„Um den ganzen Büro- und Verwaltungsdienst nach neuen Gesichtspunkten und mit echtem nationalsozialistischen Geist zu erfüllen, wäre es angebracht, die Stelle des Amtsoberinspektors Brauckhoff durch einen tüchtigen nationalsozialistischen Fachmann zu besetzen.“

Vorsitz der Zentrums-Partei am 1. Mai 1933 abgegeben

Die NS-Kommission nutzte Gerüchte, die sie auch selbst gestreut haben könnte, dass Brauckhoff in der Kriegszeit (Erster Weltkrieg) Speckschiebungen begangen und gegenüber Wöchnerinnen ein würdeloses Verhalten gezeigt haben soll. Scheinheilig steht dazu in dem Bericht: „Betonen möchten wir, dass es lediglich Gerüchte sind, die ziemlich stark im Amtsbezirk umlaufen […].“ Der Grund, warum sich die Nationalsozialisten kritisch mit Brauckhoff auseinandersetzten war der, dass Brauckhoff Vorsitzender der Dorstener Zentrumspartei war; den Vorsitz er allerdings am 1. Mai 1933 abgegeben hatte. Die Nationalsozialisten besetzten die Stelle nicht neu, weil „kein geeigneter Beamter hierfür zur Verfügung“ stand. Allerdings wurde Brauckhoff die leitende Funktion entzogen. – In der Abteilung I. des Rathauses war Amtssekretär Bauer beschäftigt, der Mitglied der SPD war. Dazu die Kommission: „[Er] hat es aber verstanden, sich noch rechtzeitig vor dem 1. Mai unserer Partei (N.S.D.A.P.) anzuschließen. Bauer war vor der Zeit ein ganz großer Gegner unserer Bewegung, entpuppt sich jetzt aber als Konjunkturritter erster Güte.“ – Amtsinspektor Küper von der Abteilung VI/VII sollte nach Ansicht der NS-Kommission „dringend ersetzt“ werden. Küper war Mitglied der katholischen Zentrumspartei. Bei ihm wurde als Grund der Entfernung aus dem Dienst seine von Geburt an bestehende „Verkrüppelung“ angeführt. Küper war bereits 1897 als Lehrling der Verwaltung beigetreten.

Untersuchungsbericht: „Reisekosten stiegen ins Unermessliche“

Der Bericht endet mit der Feststellung, dass die Stadt Dorsten den Beamten der Amtskasse das Wohnungsgeld statt der Ortsklasse C nach Ortsklasse B bezahlte, dass somit ein Schaden in Höhe von 16.000 Mark entstanden sei, und dass zwischenzeitlich aufgrund einer Beanstandung durch den Kreisausschuss wieder nach Ortsklasse C bezahlt werde. Der NSDAP-Untersuchungsausschuss beanstandete, dass die Stadt in der Zeit der Stabilisierung zwischen 1924 und 1928 zu großzügig öffentliche Gelder für „Festessen und sonstige Feiern“ verwendet hätte. „Reisekosten stiegen ins Unermessliche.“ Telefonkosten seien zu hoch gewesen. Mitglieder der SPD und des Zentrums hätten sich für ehrenamtliche Tätigkeiten „Entschädigungen für entgangenen Schichtausfall auszahlen lassen, trotzdem sie ihre Schicht gefahren hätten“. Der Bericht schließt mit der Aussage: „Der ganze Verwaltungsbetrieb muss mehr nach kaufmännischen Grundsätzen aufgezogen werden. Tausende von Marken sind noch an Ausgaben zu sparen.“ Schließlich machte die Untersuchungskommission den Vorschlag, wegen des Verdachts der zu hohen Einstufung der Beamten einen „Kreisbeamten zur Nachkontrollierung der einzelnen Besoldungen nach hier zu schicken“.


Quelle:
Kommissionsbericht vom 23. Mai 1934, Privatbesitz.

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