Stadt will 50 Jahre altes Grünkonzept in privatem Anwesen exekutieren
W. St. – Meterhohe Palmen und Niedriggewächse säumen eine Villa am Barkenberger Gecksbach, in der sich die Familie Türpe seit zwei Jahren ein mediterranes Idyll geschaffen hat. Anwohnern ist der Anblick wohl zu „griechisch“. Sie vermissen deutsche Gewächse und meldeten dies der Stadtverwaltung. Mit Berufung auf eine vor 50 Jahren erlassene Pflanzverordnung, als Barkenberg in weiten Teilen nur auf dem Papier existierte, wurde die Verwaltung bürokratisch aktiv. Denn in ihrer Pflanzverordnung steht, dass nur deutsche Gewächse gepflanzt werden dürfen. Mit einem solchen Aktivwerden der Stadtverwaltung war eigentlich nicht zu rechnen, meinte eine Kritikerin etwas schnippisch, denn bei Klagen über verschmutzte und mit Unkraut überwuchernde städtische Wege und Gründstücksgrenzen bliebe die Verwaltung oft schulterzuckend inaktiv. Ein Gang durch die Straßen der Stadt bezeuge dies. Doch im Falle des gepflegten Grundstücks eines Bürgers am Gecksbach, an dessen Grenze mediterrane Pflanzen anstatt heimisch-deutsche stehen, machte die Verwaltung dem Hausbesitzer Ärger.
Denn neben dem Verstoß gegen vorgeschriebene Pflanzgebote wurde nun auch amtlicherseits festgestellt, dass der Hauseigentümer außerhalb der Grundstückmauer neben seinem eigenen Pflanzstreifen noch einige Zentimeter des städtischen Pflanzstreifens am Rande des öffentlichen Wegs zur Verschönerung durch Pflanzen ohne Wissen der Verwaltung in Anspruch nahm. Bürgermeister Tobias Stockhoff eilte höchstpersönlich mit einem Vertreter des städtischen Grünflächenamts zum Ort des Geschehens, um mit dem Hauseigentümer, der erst vor zwei Jahren von Raesfeld nach Dorsten zugezogen war, dessen Verstoß gegen die städtische Pflanzordnung in Augenschein zu nehmen. Dabei wurde festgestellt, dass Andreas Türpe ohne Erlaubnis der Stadt auch noch die an der Grundstücksgrenze vorhanden gewesenen heimischen Gewächse entfernt hatte. Andreas Türpe hatte in den städtischen Gewächsen eigentlich nur wucherndes Unkraut gesehen. Laut „Dorstener Zeitung“ hatte die Verwaltung für dieses nun aufgedeckte Gesamtvergehen bereits einen Namen: „Griechische Anpassung im öffentlichen Raum.“ Das heimische Strauchwerk und die Bepflanzungen seien „ohne jede Rücksprache entfernt und durch Palmen ersetzt worden“. Und wie sieht es jetzt aus? „Auf einem schmalen Streifen vor der schneeweißen Mauer“, so die „Dorstener Zeitung“, „stehen neben Kleingehölz, Kirschlorbeer und Rhododendron auch einige Palmen auf städtischem Grund und Boden“.
Stadt besteht offensichtlich auf Entfernung der Palmen
Obwohl sechs Palmen entlang der Mauer nur zwischen 20 und 40 Zentimeter auf städtischem Grund stehen, müssen zwei entfernt und vier verschoben werden. Dies zerstöre das „einheitlich schöne Bild“, so die DZ. Auch wenn der Bürgermeister dies ähnlich sieht, so meinte er in der Zeitung, dass es sich hier um die Einhaltung von demokratisch beschlossenen Vorgaben handele und er habe der Familie Türpe Unterstützung angeboten, „damit das öffentliche Begleitgrün entsprechend den Vorgaben des Stadtrates wiederhergestellt werden kann“. Andreas Türpe sieht dies allerdings anders und lässt sich in der „Dorstener Zeitung“ zitieren: „Ich werde aufgefordert, alles, was ich im Vorgarten gemacht habe und was den meisten Nachbarn Freude bereitet, wieder kaputtzumachen, weil ich irrtümlich eine falsche Annahme getroffen habe. Das finde ich nicht gerecht und demotiviert mich.“
Ein Bürgerentscheid soll Klarheit schaffen: Palmen ja oder nein
Bei Facebook-Nutzern stieß das Verhalten der Stadt im „Dorstener Palmenstreit“ ganz überwiegend auf teils spöttisches Unverständnis. „Was sich vor der Grundstücksmauer von Familie Türpe abspielt, ist an Irrsinn kaum zu überbieten. Da wird ein mediterraner Pflanzenfreund, der guten Gewissens Tausende Euro in die Verschönerung der Gecksbach-Siedlung investiert hat und nebenbei eine Fläche pflegt, die ihm gar nicht gehört, angeschwärzt, weil Palmen keine einheimischen Gewächse und im hochgelobten Grünkonzept [für die einst geplante Bergbaustadt] nicht vorgesehen sind.“ Schlagzeilen in der Tageszeitung lauteten u.a.: „ Stadt dultet in Barkenberg keine Willkür“ , „Grünkonzept eckt an“ oder „Ein Richtungskampf zwischen Alt- und Neubürgern“. Bereits am 12. Juli 2017 brachte das ZDF in der Reihe Drehscheibe einen 45 Minuten langen Film über den Wulfener Palmengarten.
Palmen zwischen Kanal und Mercaden in Dorsten erlaubt?
Die Stadt bereitete für den April 2018 eine Umfrage mittels eines „Bürgerentscheids“ vor, um Klarheit zu schaffen, wie streng das 50 Jahre alte Grünkonzept aus den 1960er-Jahren, als Barkenberg noch im Aufbau war, noch gelten sollte. Allerdings durften daran nur Einwohner Barkenbergs teilnehmen (ERgebnis siehe weiter unten). – Ende Juli 2017 erschien in der „Dorstener Zeitung“ ein Artikel über die Eröffnung einer Gastronomie im Einkaufszentrum Mercaden in der Stadtmitte, übertitelt mit „Das Mercafé eröffnet am Sonntag: Unter Palmen den Kanalblick genießen“. Darunter war ein Bild zu sehen, wie die drei Inhaber unter einer übermannshohen Palme sitzen. Wohlgemerkt im Außenbereich. In der Altstadt scheint es kein Grünkonzept zu geben. Wenn also ein Grünkonzept für Barkenberg notwendig erscheint, dann sollte der Stadtrat von sich aus ein moderneres beschließen, das den veränderten Verhältnisse in Barkenberg (bereits bewohnt, besiedelt, bepflanzt) entspricht.
Palmen-Hickhack 2018 im ZDF
Der Ärger, den Andreas Türpe wegen seines Palmengartens mit der Stadtverwaltung Dorsten hatte, sollte am 21. Januar 2018 auch im ZDF ausgestrahlt werden. Filmemacher Abel Lindner (Berlin) fertigte den 15 Minuten langen Film für die Sendung TerraXpress an. Der Regisseur schildert in dem Film, wie ein Zentimeter-Streit zwischen Bürger und Behörde ausufern und absurde Folgen haben kann, wenn Gesetze und Regelungen „einigen Zentimetern Bepflanzung“ im Wege stehen. Die Stadt selbst hatte sich geweigert, vor der Kamera eine Stellungnahme abzugeben. Wegen der Handball-Europameisterschaft wurde das Senden des Beitrags auf den 11. März verschoben.
Ans Ergebnis bindende Umfrage: Palmen dürfen stehen bleiben
Mit einem deutlichen Ergebnis endete im April 2018 eine von der Stadtverwaltung groß angelegte Umfrage in Barkenberg, ob Andreas Türpe seine Palmen an seiner Grundstückgrenze auf städtischen Gebietsstreifen stehen lassen kann oder nicht. Er darf. Denn von den abgegebenen 1098 Stimmen, das war eine Wahlbeteiligung von 16 Prozent, stimmten 86 Prozent dafür. Über den Einzelfall hinaus bedeutete das, dass bei Übernahme von Grünpatenschaften für öffentliche Flächen von den bisherigen Leitlinien der Gestaltung abgewichen werden darf, dass solche Grünflächen nicht versiegelt werden dürfen, dass Flächen, die mehreren (Reihen-)Häusern zugeordnet sind, nur bei Einigkeit aller unmittelbaren Anwohnern umgestaltet werden dürfen und dass über den Baumbestand nicht im Rahmen einer Grünpatenschaft entscheiden wird. Ende 2021 stehen 45 Palmengattungen in Andreas Türpes Garten.
Quellen: Stefan Diebäcker in „Dorstener Zeitung“ vom 21. und 28. Juni 2017. – Claudia Engel in DZ vom 29. Juni 2017 und 17. Jan. 2018. – Radio Vest vom 5. Juli 2017. – Clauvia Engel in DZ vom 3ß. April 2018.