Die Markenordnung regelte die Nutzung von Grund und Boden
Der Begriff Marken entstand aus der Bezeichnung Mark für ein Grenzgebiet des Römischen Reiches im Mittelalter (Grenze, Grenzland, abgegrenzter Landteil). Erstmals taucht der Name „Marca“ in der karolingischen Zeit auf. Karl der Große errichtete zum Beispiel 795 die Spanische Mark gegen die Basken und Araber, Otto der Große 970 die Billinger Mark als östliche Reichsgrenze. Als nach der Völkerwanderung (375) die Volksstämme sesshaft wurden, besiedelten einzelne Sippen gerodetes Land, umgeben von unerschlossenen Gebieten, das waren auch gezogene Grenzen. Natürliche Grenzen waren hingegen die Brüche, die für Mensch und Vieh unüberwindbar oder unzugänglich waren, ihnen aber auch Schutz boten. Beispielsweise lag Rhade zwischen dem Emmelkämper und dem Holsterhausener Bruch. Das Schermbecker Bruch bildete die Grenze mit dem Herzogtum Kleve. Die Feldmark bei Dorsten war das der Stadtmauer vorgelagerte städtische Grenzgebiet mit Gärten, Weiden, Wiesen und Wald (heutige Bezeichnung Feldmark I und Feldmark II).
Alles wurde ganz genau geregelt
Die Gebiete, die zwischen den Ländereien der einzelnen Sippen lagen, waren die Marken. Es war „Niemandsland“ und somit von allen angrenzenden Sippen frei zur Nutzung. Eine Markenordnung war für alle bindend. Mit zunehmender Besiedlung musste diese Regelung von einer übergeordneten Instanz kontrolliert werden. Das waren die Marken- oder Holzrichter. Land, Wald und Heide waren anfangs Allmende (Allgemeingut, Gemeindegut). Das Ackerland wurde auf der „Hofsprache“ für ein Jahr verteilt. Am Gehölz, an den Brücken, Weiden, Heiden, Venen, Mooren, Stein-, Lehm- und Sandgruben war jeder anteilmäßig nach dem Erbrecht als Voll-, Halb- oder Viertelerbe beteiligt. Auf der „Markensprache“ wurde dann geregelt, wann, wo und wie viele Tiere zur „Hustung“ (zum Hüten) durften, wann Plagen geschlagen, Heide gemäht und Torf gestochen werden konnte.
Für die Schweinetrift im Eichenwald und im Bruch, für die Rinderhut in Bruchwiesen, Pferdehut auf trockenen Weiden, die Schafhut in der Heide bestellte man Hirten: den Schweinehirt, den Rinderhirt, Pferdehirt, auch den „Gosehirt“ für die Betreuung der Gänse. In der Mark gab es, wie heute noch in den Flurnamen zu erkennen ist, den Perdekamp, den Goseeck oder Gosewinkel, den Ossenstall, den Schafstall, das Kuhloch, den Heisterkamp (Pflänzling, Pflänzlinge). Im „Heliand“, ein altsächsisches Großepos aus der 1. Hälfte des 9. Jahrhunderts wird aus der germanischen Vorstellungswelt das Leben des Heilands geschildert, als wäre es zwischen Bauern im Sachsenland verlaufen. Die Hirten, denen die Engel die Geburt in Bethlehem verkündeten, sind bei ihm nicht Schäfer, sondern Pferdehüter:
„Die auf der Weide Wache hielten,
zur Nacht der Rosse Ruhe betreuten,
der Hengste in den Hürden.“
Das Pferd galt ihnen als Wodans Fohlen heilig. Man opferte Pferde der Gottheit und hängte Pferdeschädel an die Hausgiebel. So standen Pferdehüter bei den Sachsen in größeren Ehren als der Schäfer, der zu jener Zeit nur wenige Tiere zur Hut geführt haben mag.
Schnatgang: Die Jugend musste die Grenzen kennen
Auf dem Markengerichtstag versammelten sich die Beteiligten, die Marken-Interessenten. Der Hauptmann war der Markenrichter und bestrafte Übertretungen der Markenordnung wie Diebstähle und unterlassene Dienstleistungen, die gefordert und angeordnet waren, schlichtete Streitigkeiten und wahrte die Rechte der Bauern bei Übergriffen aus Nachbar-Marken und bei Grenzüberschreitungen durch Interessierte aus der Nachbarmark. Fremdes Vieh, das in der eigenen Mark vom Feldhüter eingefangen wurde, wurde festgesetzt und erst gegen eine Entschädigung („Buße“) zurückgegeben. Einmal im Jahr hielt man Grenzgang (Schnatgang). Die Jugend musste teilnehmen, damit sie die Grenzen und Rechte der Mark kennen lernte. Zur Markierung wurden böswillig versetzte Steine zurück- oder vorgesetzt, Vorbäume gepflanzt und Grenzrinnen für Gräben geritzt. Der Abschluss des Grenzgangs war meistens mit einer Feier verbunden. Man tanzte und zechte auf der „Deele“ eines Bauernhofes.
Die Markenordnung enthielt viele geschriebene und ungeschriebene Bestimmungen. Im Laufe der Zeit änderten sich die Markengesetze. Haus und Hof wurden Besitz, später auch das Ackerland. Schließlich wurden die Marken, wie beispielsweise das Holsterhausener Bruch und die Emmelkämper Mark nach dem preußischen Gesetz von 1835 anteilmäßig unter die Interessenten verteilt. Daher gibt es seitdem keine Allmende mehr, höchstens noch Gemeindegrundstücke. Die Bauern sind Grundbesitzer geworden, der Boden zu Waren, die man kaufen und verkaufen konnte.