Infanterie und Kavallerie schützten die Obrigkeit vor den Bürgern
Die politischen Märzunruhen der Bürger um mehr Bürgerfreiheiten forderten 1848 in Berlin auch Menschenleben. Im Regierungsbezirk Münster und im Vest Recklinghausen kam es ebenfalls zu Unruhen, wenngleich nicht in dem Ausmaße wie im übrigen Westfalen. Im Vest richtete sich der Protest gegen den Adel und die Steuereinnehmer. In Dülmen begannen die Unruhen am 22. März. Der Herzog von Croy floh vor Landwehr-Soldaten, die betrunken zu seinem Schloss zogen, nach Buldern und dann nach Münster. Die Landwehrmänner plünderten im Schloss. Zum Schutz der Güter bzw. Schlösser Horst, Westerholt und Lembeck musste Infanterie eingesetzt werden und auch in Dorsten kam es zu „kleineren, spontanen und unkoordiniert initiierten Protestläufen so genannter Katzenmusik“.
In Dorsten wurden Fenster eingeworfen
Bis zu 40 Personen demonstrierten vor dem Gerichtsgebäude in Dorsten, dem Haus des Steuereinnehmers Ritgen und anderen Häusern von Staatsbeamten sowie vor dem Rathaus. Etliche Fenster wurden eingeworfen, Fensterläden zerstört und die Bewohner verhöhnt. Schließlich bereiteten zwei Bürger-Compagnien dem Tumult ein Ende, allerdings bestand die Gefahr neuer Erhebungen und der Brandstiftung. Landrat Devens schrieb seine Befürchtungen am 25. März 1848 dem Oberpräsidenten von Westfalen, Eduard Heinrich Flottwell, der dieses Amt von 1846 bis 1849 innehatte. Er organisierte die Bekämpfung der März-Unruhen in der Provinz und schickte 50 Kavalleristen nach Dorsten, die den Schutz der Bürger übernahmen. Festgenommene Aufrührer wurden zur Festung Wesel bzw. in das Zuchthaus nach Münster überstellt. Franz Brunn, zu dieser Zeit Amtmann der Ämter Lembeck und Altschermbeck, schrieb in seine Chronik:
„Die Aufregung unter dem Volk war so groß, dass junge Burschen sich zusammentaten, den bemittelten Leuten ins Haus fielen, unter dem Rufe ,Freiheit und Gleichheit’ Lebensmittel erpressten und sich manche Ungezogenheiten erlaubten. Es blieb in der Herrlichkeit Lembeck bei den Drohungen, die sich auf Demolierung des Schlosses und angesehener Persönlichkeiten bezog.“
Die Lembecker Landwehr wurde allerdings in die Herzogtümer Schleswig und Holstein über Hamburg in Marsch versetzt, um dort mitzuhelfen, einen Aufstand militärisch niederzuwerfen. Die Einberufung der Landwehrleute führte in der Herrlichkeit wiederum zum offenen Aufruhr. Allerdings gelang es der Obrigkeit, das Bataillon in Marsch zu setzen. Die kriegerische Niederwerfung, die auch als erster dänischer Krieg bezeichnet wurde, brachte zwei Männern aus der Herrlichkeit den Tod: Soldat Budde aus Erle und Bernhard Heming aus Wulfen, der 1849 in Aarhues an Typhus starb.
Schlickum beweinte den erfolglosen Kampf für Freiheit und wanderte aus
Der Auswanderer Jakob Julius Schlickum (siehe dort) schreibt in einem Brief an seine Frau von seinen Beweggründen, warum er nach den Ereignissen von 1848 nach Amerika ausgewandert ist (Auszug). Er starb dort. Seine Frau und sein in Texas geborener Sohn Hugo, der 1934 starb, kamen nach Dorsten zurück:
„Ich lasse das Land meiner jugendlichen Träume, lasse mein deutsches Land hinter mir; ich muß seinen Kampf und seine Schmach beweinen, da ich nicht dafür in die Schranken treten kann. Ich habe gesehen, wie die lichte Morgenröte der Freiheit trotz schwarzer Wolken hereinstrahlte; da wurden die Deutschen Männer! Da suchten sie die vergessenen Schwerter aus den Hallen; man sah den blanken Stahl in der Frühsonne blitzen -. Manches Eisen ward gerötet – und wilder wurde der Kampf gegen die Tyrannen. Er wurde wilder und ungestümer, aber der Teufel streute seine Saat zwischen den Weizen. Und Satans Saat ging auf – und unlautere Elemente mengten sich in den Kampf und wurden die Alliierten der Unterdrücker. Die Kraft des Volkes wurde zersplittert durch Zwietracht und Verrat, und seine Augen geblendet. Die Weisen im Rat vergaßen ihre Sendung und der Herr verwirrte ihre Sprache.- Es schickten die Fürsten ihre Söldner aus gegen die Streiter der Freiheit; der Teufel lieh ihnen sein teuflisches Feuer und sie machten Schrapnells und Granaten daraus und der Tod ging vor ihnen her. Die Haufen der Männer wurden zerstreut und die Anhänger der Freiheit ballen ihre Fäuste im Verborgenen. Alles dieses habe ich gesehen – meine Hoffnungen sind wie Streu verweht -hingegangen in den Wind. Was hält mich noch zurück!? Ich will hinüber in ein Land, wo lichtere Sonnen glühen. Leb wohl, du Heimat mein! …“
Quellen:
Wilfried Reininghaus/Horst Conrad (Hg) „Für Freiheit und Recht. Westfalen und Lippe in der Revolution 1848/49“, Aschendorff Münster 1999. – Josef Ulfkotte „23. März 1848: Unruhen in Dorsten“ in HK 2000. – Werner Hoffmann „Außerparlamentarische Bewegung und politische Vereinsbildung im Landkreis Recklinghausen während der Revolution 1848/49“ in VZ 1994/95/96.