Landrat war drei Monate im Amt – ein unverbesserlicher Nazi
1886 in Nienborg/Weser bis 1974 in Lüneburg; Landrat und Regierungspräsident. – Er war nur eine kurze Zeit Chef im Recklinghäuser Landratsamt: vom. 1. April bis 28. Mai 1933 kommissarischer Landrat und vom 29. Mai bis 3. Juli 1933 endgültiger Landrat, also insgesamt nur drei Monate. Der Grund war, dass die NS-Regierung ihr NSDAP-Parteimitglied Nr. 1.359.089 (seit 1932) als Reichskommissar für Schaumburg-Lippe besser einzusetzen wusste.
1934 Regierungspräsident in Lüneburg, nach 1945 rechtsextrem
Er war der Sohn des Bürgermeisters von Nienborg und späteren Oberbürgermeisters von Hamm. Kurt Matthaei besuchte das königliche Gymnasium in Hamm, studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Göttingen und Münster, wurde 1911 Referendar in Warendorf und ging als Einjähriger Freiwilliger zum Infanterie-Regiment Nr. 13 nach Münster. Dort erhielt er das Offizierspatent, beendete den Ersten Weltkrieg als Kompanieführer, ging 1919 als Kreisamtsdirektor nach Dortmund, trat 1926 in die Deutsche Volkspartei (DVP) ein, übernahm 1930 in Marl das Wohlfahrtsamt, wurde NSDAP-Mitglied und nach der kurzen Zeit als Landrat in Recklinghausen Reichskommissar und Mitglied im westfälischen Provinziallandtag. Dr. Kurt Matthaeis Liste der öffentlichen Ämter in der nationalsozialistischen Verwaltung und Politik ist lang. Er war 1933 auch noch kommissarischer Regierungspräsident in Münster, ab 1934 Regierungspräsident in Lüneburg, ab 1935 förderndes SS-Mitglied und war im Krieg ab dem Jahr 1943 Sonderbeauftragter des Führungsstabs in Kiew. Nach dem Krieg nahm er in Laasche/Elbe bei Dannenberg Wohnung und wurde bei der Entnazifizierung als „minderbelastet“ (III) eingestuft, wurde danach Mitglied in der nationalistischen „Sozialistischen Reichspartei“ (SRP) und nach deren Verbot in der rechtsgerichteten Ersatzgründung UKP (Unabhängige Kommunalpolitischer Einheitsblock) und handelte sich als pensionierter Beamter 1954 ein Dienststrafverfahren wegen seiner Kandidatur für die rechtsextreme UKP ein. – Dr. Kurt Matthaei starb mit 98 Jahren 1974 in Duisburg.
Nach 1945 in rechten Parteien und Gruppierungen umtriebig
Interessant ist sein Wirken in der Zeit nach 1945, das symptomatisch ist für viele Nachkriegspolitiker, die in nationalsozialistischem Gedankengut verharrten. Nach Kriegsende war Kurt Matthaei bis Oktober 1947 im Lager Westerntimke interniert und ließ sich danach in Laasche/Elbe, später in Lüneburg, nieder. In dem Ende Oktober 1948 eröffneten Entnazifizierungsverfahren wurde er „wegen Förderung des Nationalsozialismus“ als Minderbelasteter in Gruppe III eingestuft. Als Sühneleistungen für diesen Personenkreis waren Vermögens- und Pensionsverlust, Berufsverbot, Bußgeldzahlungen und Wahlrechtsentzug vorgesehen. Erst 1951 erfolgte Matthaeis Umstufung in Gruppe V, so dass er sein aktives wie passives Wahlrecht wahrnehmen konnte.
Den früheren Landrat und Regierungspräsidenten drängte es danach wieder auf die politische Bühne. Er schloss sich zunächst der Sozialistischen Reichspartei (SRP), ultrarechtes und nationalistisches Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten und Wehrmachtsangehöriger, an und trat nach deren Verbot 1952 der Deutschen Reichspartei (DRP) bei. Matthaei kandidierte persönlich erfolglos bei der Bundestagswahl 1953 auf deren Liste im Wahlkreis „Lüneburg-Dannenberg“. Immerhin umfasste die sich im Bundestag „Nationale Rechte“ bezeichnende Abgeordnetengruppe fünf Parlamentarier.
Nach 1945 Mitbegründer rechter Splittergruppen – Strafverfahren
Daneben trat der ehemalige Regierungspräsident 1952, also noch vor dem Verbot der Sozialistischen Reichspartei, als SRP-Landtagskandidat in Niedersachsen an und amtierte seit 1952 als SRP-Bezirksleiter Niedersachsen-Ost in Lüneburg. Im Juni 1952 wurde Matthaei mit Redeverbot belegt und übernahm danach zeitweise den Vorsitz eines nicht weiter bekannten „Arbeitsrings für Wahrheit und Gerechtigkeit“. Als Tarnorganisation für die vor dem Verbot stehende SRP gründete sich im August 1952 der „Unabhängige kommunalpolitische Einheitsblock Lüneburg“ (KEB), für den Matthaei als Kandidat bei den Kommunalwahlen im November 1952 antreten wollte. Der KEB, dem in ganz Niedersachsen die SRP-Mitglieder scharenweise beitraten, wurde aber nicht zur Wahl zugelassen. Im Jahr 1953 schloss sich Matthaei der „Deutschen Aufbau-Vereinigung“ an. Seine politischen Nachkriegs-Aktivitäten führten 1954 zur Einleitung eines Strafverfahrens. Am 21. März 1958 zählte er zu den Mitbegründern der „Freien Sozialistischen Volkspartei“, allesamt rechtsradikale Splittergruppen ohne weitere öffentliche Beachtung. Zuletzt gehörte er der NPD an. In die Schlagzeilen geriet Dr. Kurt Matthaei noch einmal im November 1958, als ihm das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in einem gegen die Bundesrepublik angestrengten Rechtsstreit die Gewährung der Pension eines Landrats zuerkannte. Dabei bezog sich das Gericht auf Matthaeis ursprüngliche Tätigkeit als Beigeordneter der Stadt Marl. Kurt Matthaei starb im Alter von 88 Jahren in Lüneburg.
Quelle:
Vestischer Kalender 1957; die Nachkriegs-Passage teils wörtlich und stark gekürzt entnommen: Bernd Haunfelder „Die münsterschen Regierungspräsidenten im 20. Jahrhundert“, Bezirksregierung Münster 2006.