„Hol über!“ – Fährleute ersetzten fehlende Brücken
In den 1920er-Jahren endete die zum Dorf Hervest führende Hauptstraße bei der Gaststätte Einhaus im Dorf. Wer über die Lippe wollte, musste entweder einen großen Umweg über Dorsten nehmen oder mit der Fähre übersetzen. Die vom linken Ufer bediente Fähre lag etwa zehn Minuten östlich vom Dorfkern, der Betrieb war Tag und Nacht geöffnet. Nachtfahrten gab es selten und die Einnahmen hielten sich in Grenzen. Im Fährhaus war man stolz, als man einmal sechs Mark am Tag eingenommen hatte. Die Frau des letzten Fährmanns Bromkamp bediente die Fähre nach dessen Tod weiter. In der Besetzungszeit der Belgier 1923 bis 1925 war die Lippe Grenze vom besetzten zum unbesetzten Gebiet und so mancher konnte sich mit der Fähre vor der Verhaftung durch die Belgier retten. Nach Bau der Brücke wurde der Fährverkehr 1928 eingestellt. Im Mündungsbereich des Hammbachs gab es in Holsterhausen ein Ruderboot, mit dem Fährmann Albers, der Ausflügler und Schichtarbeiter der Zeche Baldur auf die andere Seite der Lippe ruderte. Dieser Fährbetrieb, der noch vor dem Ersten Weltkrieg begann, wurde vermutlich um 1940 eingestellt. Das Foto zeigt die Lippefähre mit den Damen Albers, Aumann und Lemke.
Die Lippefähre heute
2001 regte Altbürgermeister Hans Lampen an, den Fährbetrieb wieder aufzunehmen. Auszubildende der Zechen „Auguste Victoria/Blumenthal“ und „Lippe“ bauten die Fähre, die 2005 eingeweiht werden konnte und den Namen der früheren Holsterhausener Zeche „Baldur“ erhielt. Sie verbindet die Stadtteile Hardt und Holsterhausen und wird von Wanderern und Radfahrern im Selbstbetrieb benutzt. Im April 2011 stahlen Unbekannte die beiden jeweils 50 Meter langen Edelstahlketten der „Baldur“-Fähre. Aufgezeichnet wurde der Diebstahl durch eine vom Lippeverband versteckt installierten Kamera. Die Kamera wurde angebracht, weil es an der Lippefähre mehrfach zu Vandalismus gekommen war. Offensichtlich durch diesen Dienstahl angeregt, stahlen Unbekannte wenige Wochen später, im Mai 2011, eine 130 Meter lange und 60 Kilogramm schwere Edelstahl-Absperrkette, die am abbruchreifen Lippetor-Center angebracht war. – Seit 2005 benutzten pro Saison rund 30.000 Besucher die Fähre, an Spitzentagen bis zu 350 Personen. Die Lippe-Fähre wurde ab Mitte April 2021 testweise wieder in Betrieb genommen. Wegen der Corona-Epidemie müssen die Nutzer eine Mund-Nasen-Masken tragen und dürfen nur zu zweit die Fähre betreten.
„Baldur“ Ahoi! Personenfähre lichtet den Anker im Mai 2022
Ab Mai nahm der Lippeverband die Lippe-Fähre „Baldur“ nach der Winterpause wieder in Betrieb. Die Personenfähre hat eine frische Lackierung in einem neuen Grünton bekommen und auch die Sicherheitsbeschilderung wurde komplett überarbeitet. Nach Inbetriebnahme können Fußgänger/innen und Radfahrer/innen dann wieder mit eigener Muskelkraft ans andere Ufer der Lippe gelangen. Die „Baldur“ legte Anfang November 2022 wieder an und legte nach andauernden Regenfällen erst Anfang Mai 2023 für Fahrgäste wieder ab, welche die Lippe per Handkurbel und Muskelkraft überqueren wollen.
Hohe Wasserstände behinderten 2023 Überfahrten
Aufgrund des hohen Wasserstandes infolge der starken Regenfälle im Lippe-Gebiet konnten die Lippeverbands-Fähren Baldur und Maifisch im September 2023 für die Überfahrt nicht benutzt werden. Die Lippe-Querung „Baldur“ beendet ihre Saison 2023: Der Lippeverband hat die per Muskelkraft betriebene Flussfähre aufgrund hoher Wasserstände Ende Oktober außer Betrieb gesetzt und ins Winterlager gebracht. Ihren Betrieb wird die Fähre im Frühjahr 2024 wieder aufnehmen.
Quellen: Josef Wiethof „Erinnerungen an die Lippe-Fähre in Dorf Hervest“ in HK 1968. – Walter Schulte „Lippefähre Baldur verbindet Dorsten und die Herrlichkeit“ in HK 2006.