Rektor der Universität Greifswald von den Sowjets 1946 hingerichtet
1890 in Dorsten bis 1946 in Greifswald; Theologe, Wissenschaftler, Universitätsrektor. – Als Sohn des Pastors Heinrich Lohmeyer und dessen Frau Marie Niemann im evangelischen Pfarrhaus an der Johanneskirche in Dorsten geboren, war Lohmann ein bedeutender Mann. Martin Buber würdigte den Mystiker 1933 ebenso wie 1946 der Schweizer Theologe Oscar Cullmann und Bischof Dr. D. Hermann Kunst in den 1990er-Jahren. Der kleine Ernst verbrachte lediglich die ersten fünf Jahre seines Lebens in seiner Geburtsstadt. Danach wurde sein Vater nach Herford versetzt. Ernst Lohmeyer begann 1908 das Studium der Theologie, Philosophie und Orientalistik in Tübingen, wurde 1912 zum Licentiaten promoviert und bestand im selben Jahr sein 1. theol. Examen. „Die Lehre vom Willen bei Anselm von Canterbury“ war 1914 Thema seiner Dissertation bei der Promotion. Im Ersten Weltkrieg leistete er bis 1918 Kriegsdienst und hielt dann 1918 in Heidelberg seine Antrittsvorlesung, nachdem er sich mit der Arbeit „Vom göttlichen Wohlgeruch“ (1919) habilitiert hatte. 1920 nahm er einen Ruf als Professor für neutestamentliche Theologie an die Universität Breslau an, ab 1930/31 als Rektor Magnificus (Foto im Ornat). Es folgten fruchtbare Jahre in geistigem Austausch mit Kollegen und Freunden. Erste Kommentare erschienen: 1926 zur Offenbarung des Johannes, 1928 zum Philipperbrief und 1930 zum Brief an die Kolosser und Philemon. Die Untersuchung des Christuspsalms Philipper 2, 5-11 (vor der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 3. Dezember 1927 vorgetragen) war ein Musterbeispiel für die Verbindung von historisch-kritischer mit theologischer Exegese. – Über das Fachgebiet hinaus umspannte Lohmeyers Denken Probleme, auf die von der biblischen Botschaft her Licht fallen konnte: „Soziale Fragen im Urchristentum“ (1921), „Vom Begriff der religiösen Gemeinschaft“ (1927), „Kapitalismus und Protestantismus“ (1928). Biblische Begriffe, Gleichnisse und Erzählungen untersuchte er in vielen Aufsätzen.
Nationalsozialistische Behörde versetzte ihn von Breslau nach Greifwald
Wegen politischer Unzuverlässigkeit, er weigerte sich der NSDAP beizutreten, versetzten ihn die nationalsozialistischen Behörden 1935 von Breslau nach Greifswald. Auch war Lohmeyer seit dem „Cohn-Skandal“ von 1932 den Nationalsozialisten zum Ärgernis geworden. Er hatte nämlich in Vertretung des abwesenden Rektors und des Prorektors nationalsozialistische Störer der Vorlesungen seines jüdischen Kollegen durch Polizei aus der Universität entfernen lassen. Nach Hitlers Machtergreifung hielt er demonstrativ Kontakt zu Martin Buber. Trotz mancher Bedenken war er Mitglied der Bekennenden Kirche. Er unterschrieb auch 1933 die Erklärung von Theologieprofessoren, die für Juden wie Heiden allein „Glaube und Taufe“ als konstitutiv für die Zugehörigkeit zur Kirche bestimmte.
In Greifswald reiften weitere Arbeiten. In „Galiläa und Jerusalem“ (1936) suchte Lohmeyer einen doppelten Ursprung der Urgemeinde nachzuweisen. Die damit zusammenhängenden christologischen Fragen erfuhren im Markuskommentar (1937) Vertiefung und Antwort. Die Untersuchungen „Kultus und Evangelium“ (1942), „Gottesknecht und Davidsohn“ (1945 in Schweden veröffentlicht), „Das Vaterunser“ (1946) entstanden zum Teil im Felde. Denn nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Lohmeyer 1939 eingezogen und diente bis zu seiner Freistellung 1943 als Hauptmann in den östlichen und westlichen Besatzungsgebieten der Wehrmacht. Unvollendet erschien nach seinem Tode der Matthäuskommentar (1956).
Lohmeyer wurde einen Tag vor Eröffnung der Universität erschossen
Nach der kampflosen Übergabe Greifswalds an die Rote Armee wurde Lohmeyer 1946 zum Rektor der dortigen Universität berufen, die allerdings von der Besatzungsmacht Ende März wieder geschlossen wurde. Am Morgen des 15. Februar 1946, als die Ernst-Moritz-Arndt-Universität feierlich eröffnet wurde, blieb sein Stuhl in der ersten Reihe, auf der symbolisch nur seine Amtskette lag, leer. Die Sowjets hatten ihn zuvor verhaftet und verschleppt. Der Universitätsparteisekretär sprach zur erstaunten Festversammlung, die auf Lohmeyer wartete: „Seine Magnifizenz können besonderer Umstände wegen nicht teilnehmen.“ Erst ein Jahr später erhielt die Familie die Nachricht, dass Ernst Lohmeyer bereits am 19. September 1946 durch Genickschuss von den Russen getötet worden war. 50 Jahre später, am 15. August 1996 veröffentlichte die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation einen Rehabilitierungsbescheid, der sich mit Dr. Ernst Lohmeyer befasste:
„Hiermit wird bescheinigt, dass der deutsche Staatsangehörige Ernst Lohmeyer, geboren 1890 in Dorsten, Landkreis Recklinghausen, Provinz Westfalen, Deutscher, Hochschulbildung, Professor der Theologie, Rektor der Universität Greifswald, kein Mitglied der Nazi-Partei, aufgrund der Mobilmachung von 1939 bis 1943 im Rang eines Hauptmanns bei den Rückwärtigen Diensten der deutschen Wehrmacht dienend, am 14. Februar 1946 durch die Operativgruppe des NKWD der UdSSR für den Landkreis Greifswald unbegründet verhaftet und am 28. August 1946 durch das SMA-Militärtribunal der Provinz Mecklenburg/Westpommern nach Artikel I des Erlasses des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19. April 1946 zur Höchststrafe – Tod durch Erschießen – unter Einziehung seines gesamten Vermögens verurteilt wurde. Das Urteil wurde am 19. September 1946 in Greifswald vollstreckt. Gemäß Paragraph 3 Punkt a des Gesetzes der Russischen Föderation, über die Rehabilitierung der Opfer politischer Repressionen vom 18. Oktober 1991 ist Ernst Lohmeyer vollständig rehabilitiert, und alle seine Rechte sind wiederhergestellt (postum).“
Seine Hinrichtung wurde lange verschwiegen
Unterzeichnet ist der Bescheid von Oberst L. Kopalin, Mitglied der Militärstaatsanwaltschaft Moskau. Die Rehabilitierung ist ein Beispiel, wie Moskau Jahrzehnte später geschehenes Unrecht auf juristischem Wege wieder gutzumachen versuchte. Der sowjetische Geheimdienst verhaftete den 56-jährigen Theologen im Februar 1946 in Greifswald, machte ihm im August vor dem Militärtribunal den Prozess und liquidierte ihn wenig später durch Genickschuss. Ihm wurde vorgeworfen, „ein schießwütiger Wehrmachtsoffizier im russischen Hinterland“ gewesen zu sein. Der KPD-Kreisleitung Greifswald war es gelungen, den Antifaschisten mit falschen Anschuldigungen zu denunzieren. „Somit wurde er als jemand zu einer Strafe verurteilt“, wie Manés Sperber es sagte, „der er niemals gewesen war“. Prof. Dr. Ernst Lohmeyer, gebürtiger Dorstener, hinterließ ein umfangreiches und international anerkanntes wissenschaftlich-theologisches Werk. – Sie Stadt Dorsten könnte ihm in seiner Geburtsstadt zumindest eine Straße benennen.
Ernst Lohmeyer hatte 1933 an den jüdischen Philosophen und Pädagogen Martin Buber geschrieben:
„Ich hoffe, dass Sie mit mir darin übereinstimmen werden, dass der christliche Glaube nur so lange christlich ist, als er den jüdischen im Herzen trägt. […] Das soll zunächst nichts weitersagen, als dass diese Frage vom Judentum und Christentum nicht wie zwischen Part und Widerpart hin- und her geworfen werden kann.“
Quellen: Wolf Stegemann in RN vom 6. Juni.1992. – FAZ vom 19. September.1996. – Wolf Stegemann/Maria Frenzel „Lebensbilder aus sechs Jahrhunderten Dorstener Stadtgeschichte“, Dorsten 1997. – Hinweis von Pfr. Matthias Overath: Gerhard Saß „Lohmeyer, Ernst“ in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 132-133 [Online-Version].