Erinnerungen: Sie sind entsorgte aber auch belebte Geschichte
Zu ihren Denkmalen haben die Deutschen ein merkwürdiges Verhältnis: Weg mit allem, was historisch nicht mehr in den Kram passt. Aus der neuesten Geschichte sei an die Berliner Mauer erinnert, die so gut wie ganz verschwunden ist, an die halbherzige offizielle und ohnmächtige private Initiative zum Erinnerungs-Erhalt des Checkpoint Charlie in Berlin, an den lange anhaltenden Streit um den Abriss des „Palastes des Volkes“ in Berlin und der übergroßen Büste von Marx in Chemnitz, die nur deswegen noch steht, weil sie zu schwer ist, um kostengünstig entsorgt zu werden. Und wer in den Zeitungen verfolgt hat, welcher Streit entstand, als eine Zeitung die Initiative ergriff, am Deutschen Eck in Koblenz den Kaiser wieder aufzustellen, der weiß, wie deutsche Mentalität mit ihren Geschichtsüberbleibseln umgeht. Allzu gerne teilt man die steinernen oder ehernen Zeugnisse ein in gute und schlechte. Dabei sind Denkmale weder gut noch böse; das Handeln der Menschen ist es. Und allzu gerne tilgt man das Böse in der eigenen Geschichte, wenn man nichts mehr davon wissen will. Auch in Dorsten verschwanden Denkmale. – In diesem Überblick sind die Denkmale aufgeführt, die vordergründig an einen bestimmten Anlass erinnern und deren künstlerische Ausgestaltung nachrangig betrachtet werden kann. Skulpturen, die mehr unter Kunstaspekten zu betrachten sind, sind unter dem Begriff „Kunst im öffentlichen Raum“ aufzurufen. Zudem sind etliche der in beiden Kategorien im Überblick aufgeführten Denkmale auch ausführlicher als Einzelbeiträge zu lesen.
Wo ist das Holsterhausener Hindenburg-Denkmal geblieben?
Inn Holsterhausen stand im Bereich von Maria Lindenhof noch während des Krieges ein Denkmal, das an den Feldmarschall und Reichspräsidenten Paul von Hindenburg erinnerte. Wann die Büste aufgestellt entfernt wurde, ist nicht bekannt. Allerdings stand sie noch während des Krieges dort und ist auf einem Foto zu sehen, das Soldaten im Reservelazarett Maria Lindenhof zeigt.
Kriegerdenkmal in Holsterhausen versetzt, dann verschwunden
Außerdem gab es an der alten Dorfkirche in Holsterhausen ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Es wurde 1922 errichtet und nach dem Krieg abgerissen, um der erweiterten Straße durch das Dorf Platz zu machen. Ersetzt wurde das mit allen Namen der Toten versehene Denkmal durch eine schlichte Gedenktafel.
Findling in den Kanal gekippt
Nach der Machtergreifung der Nazis wurde 1934 am Kanal ein Denkmal errichtet, das an die beiden Freikorps Lichtschlag und Loewenfeld erinnerte, die 1919 und 1920 die Stadt von Spartakisten und Rotarmisten befreiten. Nach dem Krieg kippten es die Engländer in den Kanal, wo es 1949 wieder herausgeholt wurde und seither am Westwall an die deutschen Kriegsgefangenen erinnert (siehe Findling).
Auch das Spartakisten-Denkmal war irgendwann verschwunden
Verschwunden ist auch das Ehrenmal für die 1919 ermordeten Spartakisten, das von Arbeitern und linken Organisationen errichtet worden war. Zum Zeichen der Verbrüderung im Kampf gegen die rechten Nationalisten zeigte es zwei sich verbindende Hände in einem Ehrenkranz mit der Inschrift: „Sie starben für Freiheit in den Kämpfen 1919/1920 – Söhne des Volkes wollten sie sein und bleiben.“ Eingemeißelt waren die Namen der Getöteten. Über den Standort gibt es zwei Versionen, die sich allerdings widersprechen: Zuerst soll es in der Nähe der Gartenstraße gestanden haben, dann, als es der Neuen Dorfstraße weichen musste, auf einem leeren Gräberfeld auf dem Friedhof in Dorf Hervest, so Walter Biermann, wo es noch in den sechziger Jahren gestanden haben soll. Andere Augenzeugen wollen das Spartakistendenkmal zwischen dem katholischen und evangelischen Friedhof an der Gladbecker Straße gesehen haben, wo es frühestens 1935 verschwand und bei Ausschachtungsarbeiten für die Trauerhalle, so Pfarrer Karl Jesper, Teile davon wieder gefunden worden waren und diese dann endgültig im Beton des Fundaments verschwanden (siehe Spartakisten).
Verschwundenes Kohlmann-Denkmal
In Hervest-Dorsten gab es ein Denkmal für den Bürovorsteher der Zeche, Otto Kohlmann, der 1919 von Spartakisten erschossen wurde. Wo die Gedenktafel verblieben ist, ist nicht bekannt (siehe Kohlmann).
Nackter Jüngling in Hervest droht dem „Erzfeind“ Frankreich
Das Kriegerdenkmal in der Nähe der Augusta-Schule an der Halterner Straße wird heute noch genutzt, wie die anderen Kriegsdenkmale in den Ortsteilen auch, die an die Gefallenen der letzten beiden Kriege erinnern. 1931 wurde das Ehrenmal an der Halterner Straße eingeweiht, das an die 107 Gefallenen des Ersten Weltkriegs erinnert. In einer im Fundament eingeschlossenen Zinkblechbüchse befindet sich ein Verzeichnis von 107 gefallenen Dorstener Soldaten des Ersten Weltkriegs sowie je ein Exemplar der drei ortsansässigen Zeitungen. Das Denkmal zeigt einen 2,40 Meter großen, knienden und unbekleideten Jüngling mit einem erhobenen Arm, der Anklänge an die antike griechische Skulptur erkennen lässt. Auf seinem Schenkel sitzt ein mächtiger Adler, der nach Westen blickt, nach Frankreich, dem damaligen „Erbfeind“. Die Bronze gestaltete Prof. G. A. Bredow (1875 bis 1953) aus Stuttgart. Der Guss stammt von A. Brand-Setter in München.
Verschwundenes Sadecki-Denkmal
Ebenfalls in Hervest-Dorsten erinnerte ein Denkmal an den von belgischen Besatzungssoldaten 1923 erschossenen Bergmann Leo Sadecki (Bild oben). Es wurde 1933 feierlich eingeweiht und musste nach dem Krieg dem Kanalbau weichen. Vermutlich ist es in irgendwelchen Fundamenten verschwunden. Aber eine Straße erinnert heute noch an den getöteten Bergmann – auch Straßennamen sind Denkmale (siehe Sadecki).
Germania – 1896 errichtet, mehrmasls versetzt, heute zerstört gelagert
In Dorsten stand einst die kaiserlich-streitbare „Germania“, die bis heute ein beklagenswertes Schicksal erfahren hat. 1896 am Essener Tor mit Hurra und Blick in Richtung feindliches Frankreich errichtet, erinnerte es an die Toten der Kriege 1866 und 1870/71. Im Jahre 1929 musste das Denkmal als Verkehrshindernis der Straße weichen und wurde abgebaut. 1933 stellten die Nazis das Denkmal mit Sieg Heil wieder auf, diesmal an der Gahlener Straße mit Blick nach Osten. Die Kosten dafür hatten die Stadtverordneten zu zahlen, die seinerzeit für den Abbruch gestimmt hatten. Der zweite und bislang letzte Abbruch erfolgte 1951. Die eiserne Lady kam in den Bauhof, wo sie jahrelang vor sich hin rottete und beschädigt wurde. In den 1980er Jahren stellte der Autor dieser Bestandsaufnahme mit Unterstützung des Stadtdirektors Dr. Zahn an den Rat den Antrag, die Germania als Friedensdenkmal wieder aufzustellen, und zwar im zerstörten Zustand als Anti-Kriegs-Denkmal und Zeichen, wohin nationale Überheblichkeit und politischer Hochmut führen kann. Nur knapp verfehlte der Antrag die Mehrheit. Das beschädigte Denkmal wurde allerdings unter Denkmalschutz gestellt und die desolate Preußendame liegt heute in einer eigens gebauten Kiste in einem Abstellraum der Verwaltung und schläft den verrottenden Dornröschenschlaf weiter (siehe Germania).
Kriegerdenkmale und Mahnmale
Neben den stehen gebliebenen Denkmalen wie der Turm am Westwall, der an die Kriege 1870/71 und 1914/18 erinnert und ergänzend an die Toten des Zweiten Weltkriegs und die Bombenopfer der Stadt, die Kriegerdenkmale in Wulfen, Altendorf-Ulfkotte und in Hervest-Dorsten, kamen nach 1945 etliche dazu (siehe Kriegerdenkmale).
Russenfriedhof: Erinnerung an sowjetische Soldaten udn Zwangsarbeiter
Sofort 1945 wurden auf Veranlassung der Alliierten auf dem so genannten Russenfriedhof in Holsterhausen und auf den Gräberfeldern der Russen in Holsterhausen und Hervest-Dorsten Mahnmale aufgestellt, die in kyrillischer Schrift an das Leid der verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter erinnern. Wolf Stegemann von der „Forschungsgruppe unterm Hakenkreuz“ initiierte das Anbringen einer bronzenen Gedenktafel, die Tisa von der Schulenburg (Sr. Paula) entwarf. (siehe Russenfriedhof).
Gedenktafel erinnert an Juden und deren Verfolgung
Zum 50. Jahrestag der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden auf Anregung von Dirk Hartwich und Wolf Stegemann von der„Forschungsgruppe unterm Hakenkreuz“ am Alten Rathaus eine Gedenktafel für die verfolgten und ermordeten Dorstener Juden angebracht (Foto). Vor etlichen Jahren ist sie von dort verschwunden und wurde erst 2009 nach erheblichem Druck von Dirk Hartwich und der Stadträtin Petra Somberg-Romanski zumindest an einem Privathaus in der Wiesenstraße wieder öffentlich gemacht (siehe Jüd. Gedenktafel).
Ehrentafeln an jüdischen Friedhöfen
1985 wurden auf Veranlassung der Forschungsgruppe „Dorsten unterm Hakenkreuz“ von Sr. Paula (Tisa von der Schulenburg) gestaltete Mahn- und Informationstafeln an den Russenfriedhöfen bzw. Grabfeldern angebracht, zwei Jahre vorher auch an den jüdischen Friedhöfen in Dorsten, Wulfen und Lembeck (siehe Jüd. Friedhöfe).
Davidstern im Museumsgarten
1994 wurde im Garten des Jüdischen Museums Westfalen ein Gedenkstein eingeweiht, der – von Wolf Stegemann gestaltet und von der Kreissparkasse finanziert, an die untergegangenen jüdischen Gemeinden im Kreis Recklinghausen erinnert. Zudem sind dort moderne Skulpturen zu sehen (siehe Jüd. Gedenkstein).
Schafholen in der Essener Straße
An das historische „Schafholen“ erinnert das Bronzedenkmal in der Essener Straße. Im 16. Jahrhundert waren die Kirchhellener Bauern verpflichtet gewesen, den Dorstener Stadtschützen jährlich ein Schaf zu übereignen, weil sie die Kirchhellener vor feindlichen Kriegsknechten geschützt hatten (siehe Schaf-Bürger-Bauer).
Goethe 1792 in Dorsten – Erinnerungstafel am Marktsplatz
Eine bronzene Gedenktafel am Marktbrunnen, der wiederum an Stadtereignisse wie Bergbau, Schiffsbau, Stadterhebung und Belagerung 1588 erinnert, informiert über den Aufenthalt des Dichters Johann Wolfgang von Goethe in Dorsten am 6. Dezember 1792. Initiiert und angebracht wurde die Tafel von Wolf Stegemann vom Goethe-Stammtisch (siehe Goethe-Tafel).
Brunnen der Dorstener Geschichte
Und der Betonbrunnen am anderen Ende des Marktes, den Sr. Paula gestaltete, berichtet mit Texten und Reliefs über die wechselhafte Geschichte der Stadt im Laufe der Jahrhunderte. Die Figuren eines Glockenspiels am Marktplatz erinnern ebenso an die Dorstener Geschichte. 2020 wurde er wegen Baufälligkeit vollständig entfernt. Eine Replik entstand 2022 hinter dem Alten Rathaus (siehe Brunnen).
Messingglänzende Stolpersteine in den Straßen
Und wer durch die Straßen der Stadt geht, der stolpert in jüngster Zeit über Messingplatten („Stolpersteine“), die im Boden eingelassen sind und an die Juden erinnern, die im Stadtgebiet wohnten (siehe Stolpersteine).
Franziskaner vorm Kloster
Vor dem Franziskanerkloster steht eine Bronzebüste des Ordensoberen Gregor Janknecht aus Dorsten, der viele Provinzen und Klöster in der Sächsischen Ordensprovinz gründete (siehe Janknecht).
Gedenkstein erinnert an die Mahnwache der Bergarbeiter 1996/97
Ein von Tisa von der Schulenburg geschaffener Gedenkstein erinnert am Eingang zur ehemaligen Zeche Fürst Leopold in Hervest-Dorsten an die Zeit der großen Mahnwache der Bergleute 1996/97, als sie gegen die drohende Schließung des Bergwerks demonstrierten.
Partnerschaftsbrunnen in Holsterhausen
In Holsterhausens Freiheitsstraße wurde 1993 der so genannte Partnerschaftsbrunnen eingeweiht, der mit angebrachten Wappenschildern Dorstens Partnerstädten gewidmet ist: Ernée, Dormans, Crawley, Newtownabbey, Waslala, Hainichen, Rybnik und Hod Hasharon (siehe Städtepartnerschaftsbrunnen).
Artur Kramm hingerichtet – Erinnerungstafel am Friedhof
Im Eingangsbereich des Kommunalen Friedhofs in Holsterhausen hat 2007 der Ökumenische Geschichtskreis eine Bronzetafel angebracht, die an den 1943 enthaupteten Artur Kramm erinnert, der als Zeuge Jehovas den Eid und somit den Kriegsdienst verweigert hatte. Wolf Stegemann hat die Geschichte seiner Verfolgung und Hinrichtung recherchiert (siehe Kramm).
Zugbombardierung
An der alten Bahntrasse Haltern-Wesel an der Holtstegge in Holsterhausen brachte ebenfalls der Ökumenische Geschichtskreis 2009 eine bronzene Gedenktafel an, die an die Zugbombardierung am 12. März 1945 erinnert, bei der über 70 meist jugendliche Soldaten umkamen (siehe Zugbombardierung).
Grenzplatte
Es gibt in Dorsten-Holsterhausen einen geometrischen Punkt, an dem drei Dorstener Stadtteilgrenzen mit der Grenze der von Altschermbeck, Ortsteil der Nachbargemeinde Schermbeck, zusammentreffen. Hier wurde Ende Januar 2019 vom Ökumenischen Geschichtsverein Holsterhausen eine Steintafel in den Boden eingelassen, die Passanten über diesen Schnittpunkt dieser vier ehemaligen Gemeindegrenzen Holsterhausen, Hervest-Dorsten, Wulfen-Deuten und Alt-Schermbeck informiert. Standort der Grenzplatte ist ein Geh- und Radweg zwischen den Wohngebieten Luisenstraße und Heedland in Holsterhausen, etwa 20 Meter Fußweg von der Luisenstraße 136 entfernt (siehe Grenzplatte).
(Kein Anspruch auf Vollständigkeit)
Siehe auch:
Denkmale (Artikelübersicht)