Seit Leben lang lief er der Utopie vom gerechten Kommunismus nach
Von Wolf Stegemann. – 1931 in Dorsten bis 2023 ebd; Kommunist, Sozialdemokrat, Sozialist. – Er hatte als geschulter Kommunist ein aufregendes politisches Leben mit mehr Tiefen als Höhen hinter sich und das politische Sendungsbewusstsein, so glaubte er, habe er immer noch vor sich. Edmund Labendz, Feldmärker Urgestein, hielt den Kommunismus bis zu seinem Tod noch für die einzige politische Gesellschaftsform, in der die „Menschen frei sind und nicht ausgebeutet“ werden. Angesichts der politischen Realität schränkte er aber ein, wenn er sagte, „dass man Utopien nachlaufen muss“. Für die Realisierung dieser Vorstellungen saß Edmund Labendz zwei Jahre lang im Gefängnis, denn die junge Bundesrepublik ließ solche Utopien nicht zu. Edmund Labendz entdeckte den Kommunismus und die politische Auseinandersetzung im Elterhaus. Sein Vater, Gustav Labendz, war Kommunist und musste wegen seiner politischen Überzeugung nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 für einige Monate ins Moor-KZ Esterwegen im Emsland. Nach der Entlassung war er lange Zeit arbeitslos, die Familie lebte von der Wohlfahrt. 1943 nahm er den gerade zwölfjährigen Sohn einmal zu einem Untergrundtreffen der Kommunisten im Dorstener Stadtsbusch (Barloer Busch) mit, bei dem über Möglichkeiten des Widerstands gegen das NS-Regime gesprochen wurde. Von damals wart Edmund Labendz ein Satz seines Vaters ein Erinnerung geblieben: „Stalin wird Hitler das Genick brechen!“
Fahrt zu den Weltfestspielen nach Ostberlin
In den Kriegsjahren besuchte Edmund Labendz die Volksschule. Er war der einzige in der Klasse, der nicht beim HJ-Jungvolk war, erlebte im März 1945 die große Bombardierung der Innenstadt und dann den Einmarsch der Amerikaner, absolvierte 1949 eine Lehre als Polsterer und ging anschließend in den Bergbau, weil dort mehr Geld zu verdienen war, und Labendz auf der Zeche eine weitaus bessere Plattform für seine politische Tätigkeit fand. 1947 gründete er zusammen mit seinem Bruder Ehrenfried die Freie Deutsche Jugend (FDJ), fuhr 1951 zu den „Weltfestspielen der Jugend und Studenten“ nach Ost-Berlin, währenddessen in der Bundesrepublik die sozialistische FDJ, die in Dorsten rund 70 Mitglieder hatte, wegen „verfassungsfeindlicher Bestrebungen“ verboten wurde. Labendz ging in den Untergrund. Zu dieser Zeit war er auch Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), der er 1947 beigetreten und ab 1949 zweiter Vorsitzender der Dorstener Ortsgruppe war, während sein späterer SPD-Kollege Jakob Klauck diese Funktion in der KPD-Ortsgruppe Hervest-Dorsten inne hatte.
Er besuchte in der DDR die KPD-Parteischule
Edmund Labendz stand unter Beobachtung der westdeutschen Staatsschutzbehörden. Kurzfristig festgenommen wurde er in den Jahren 1950, 1951 und 1952. Die Staatsschutzkammer beim Landgericht Dortmund verurteilte ihn 1954 wegen Staatsgefährdung zu einem Jahr Gefängnis. Ein Jahr darauf wurde die Berufung verworfen. Daraufhin ging er 1955 besuchsweise nach Warschau und anschließend ein Jahr lang auf die KPD-Parteischule in Schmerwitz/Töplitz, Kreis Belzig, in der DDR. Dort wurde er bildungs- und kulturpolitisch geschult in Philosophie, Ökonomie und Geschichte. Nach Abschluss der Schulung 1956 wurde Edmund Labendz mit falschen Ausweisen zur Untergrundarbeit der KPD in den Westen geschickt, wo er seit seiner Flucht in den Osten zur Fahndung ausgeschrieben war. Hamburg, Stuttgart, Mannheim, Koblenz waren die neuen Wirkungsstätten des hauptamtlichen KPD-Mitarbeiters Labendz. In Dorsten, wo man ihn kannte, ließ er sich nicht blicken. Mit seiner Familie traf er sich regelmäßig zum gemeinsamen Urlaub in der DDR, an dem auch SED-Genossen und Politbüro-Mitglieder wie Fritz Ebert, Sohn des ersten Reichspräsidenten, Volkskammer-Abgeordneter Erich Mückenberger (1910-1998) oder das SED-Zentralkomitee-Mitglied Kurt Seibt (1908-2002) mit ihren Familien teilnahmen.
In den Diskussionen nach dem Abendessen brach dann wieder der querdenkerische und kritisch-eigenwillige Geist bei Edmund Labendz durch, wenn er in diesem illustren Kreis aus seiner utopischen Sichtweise unerschrocken auch die DDR-Verhältnisse anprangerte, was irgendwann an das Zentralkomitee der SED in Ost-Berlin gemeldet wurde und Edmund Labendz offiziell Rede und Antwort stehen sollte. Das war der Zeitpunkt, wo Labendz Abschied nahm von KPD, SED und DDR und sich 1962 wieder zu seiner Familie nach Dorsten begab.
Zurück in Dorsten: Festnahme, Verurteilung, Gefängnis
Als er im Dorstener Rathaus einen Personalausweis beantragen wollte, bislang hatte er auf andere Namen gefälschte Papiere, war er vom Verfassungsschutz bereits seit Jahren amtlicherseits abgemeldet gewesen. Also meldete er sich wieder an, wohl wissend, dass er von der Polizei gesucht wurde. Eine halbe Stunde danach umstellte die Polizei sein Wohnhaus an der Bochumer Straße, durchsuchte die Räume und brachte Edmund Labendz nicht ohne Warnung, ihn bei einem Fluchtversuch zu erschießen, in das Polizeigefängnis im Keller des Rathauses am Gemeindedreieck. Labendz wurde 1963 wegen verfassungsfeindlicher Umtriebe erneut zu anderthalb Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt und musste nun auch noch die alte Strafe von 1954 im Gefängnis Anrath bei Düsseldorf verbüßen. Ein halbes Jahr der Gesamtstrafe wurde ihm gegen Bewährungsauflagen und später auf dem Gnadenweg gänzlich erlassen. Währenddessen lebte seine Familie in Dorsten kärglich. Im Sozialamt wurde seiner Frau gesagt, so berichtet es Labendz, sie solle doch in den Osten gehen und sich von dort Geld zum Lebensunterhalt holen. Nach seiner Entlassung arbeitete er zunächst wieder auf der Schachtanlage Fürst Leopold, dann fünf Jahre lang beim Fernmeldeamt und ab 1976 im Kunststoffbereich des Betonunternehmens Stewing. Er war dort Betriebsratsvorsitzender und ging 1992 in den Ruhestand.
Ratsmitglied der SPD in Dorsten
Gesellschaftspolitisch betätigte sich Edmund Labendz, der auch Vorsitzender des Dorstener Akkordeonorchesters war, sich in den Betriebsräten. Einer Partei wollte er aber nicht mehr beitreten. Allerdings hielt dieser Vorsatz nicht lange an. Er wurde zuerst SPD-Mitglied, dann von 1986 bis 1996 Ratsmitglied. Im Kulturausschuss kam es am 15. Mai 1986 zu einem Eklat, der dazu führte, dass Labendz aus der SPD austrat. In einer Debatte über das Gemeinschaftshaus Wulfen monierte die CDU, dass in dieser städtischen Einrichtung neben anderen Parteien nun auch die DKP eine Bürgerberatung eingerichtet habe. Nachdem der Leiter des Gemeinschaftshauses Wulfen dies aufgrund der vom Rat der Stadt festgelegten Benutzerordnung mitteilte, dass dies statthaft sei, unterstützte Edmund Labendz die festgelegte Benutzerordnung. Daraufhin wurde er von Horst Hinzmann (CDU) gefragt, ob er für die Kommunisten sprechen wolle. Edmund Labendz fühlte sich provoziert und konterte mit der Bemerkung, dass die „CDU und manche ihr nahe stehenden Verwaltungen“ die SS-Treffen unterstützten, indem sie dazu Räume zur Verfügung stellten. Daraufhin verlangte CDU-Sprecher Gerhard Schute von Labendz eine Entschuldigung, andernfalls er, Schute, im Kulturausschuss nicht mehr mit Labendz zusammenarbeiten werde. Labendz entschuldigte sich nicht, sondern bekräftigte seinen Vorwurf. Ausschussvorsitzender Dr. Dieter Nellen rügte zwar den Vorwurf seines Parteigenossen, verfügte aber keinen Ordnungsruf.
Die Grünen bezichtigten nun ihrerseits die CDU der „Theatralik“, die sich strafrechtliche Schritte gegen Stadtrat Labendz vorbehielt. Dazu Labendz im Ausschuss: „Ich kann meine Behauptungen beweisen. Eher gehe ich ins Gefängnis, als dass ich sie zurücknehme.“ Doch dann nahm er sie in einem Schreiben vom 23. Mai an die CDU-Fraktion doch zurück: „Meine … missverständliche Äußerung bezüglich der Aktivitäten und Duldung rechtsradikaler und ehemaliger NS-Organisationen nehme ich zurück. Es lag selbstverständlich nicht in meiner Absicht, Mitglieder der Christlich-Demokratischen Union (CDU) und damit auch Mitglieder Ihrer Fraktion im Kulturausschuss in irgendeiner Weise zu beleidigen.“ Doch dann stellte er noch die Forderung, dass Äußerungen, „wie die des Herrn Hinzmann (CDU) zu verzichten“. Auch kritisierte Labendz den nicht „glücklichen politischen Stil“, wenn die CDU-Fraktion einen Ratsausschusskollegen aus ihren Reihen, Werner Arend, bittet, in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt und Notar „gegen mich“ juristisch vorzugehen. Die SPD gab Labendz dennoch keine Rückendeckung. Damit war Labendz’ Verhältnis zu seiner Partei gestört, was später zu seinem Austritt führte. Mit dem aus der Grüne-Fraktion ausgetretenen Gerd Schily bildete er eine eigene Ratsfraktion. 1994 begründete er die Dorstener Ortsgruppe der „Partei des Demokratischen Sozialismus“ (PDS) mit und iwar bis zuletzt Mitglied der aus PDS und WASG (Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit) 2007 gebildeten „Die Linke“.
Wieder nach Dorsten zurückgekehrt
Von 2008 bis 2010 lebte Edmund Labendz auf Rügen. Seine schwer erkrankte Frau starb dort acht Tage nach der Übersiedlung. Bei einem Besuch in seiner Heimatstadt begegnete er einer früheren Kampfgefährtin der FDJ aus dem Jahre 1947, Gertrud Stieglitz geborene Ridder aus Holsterhausen. Er kehrte nach Dorsten zurück und wohnte mit ihr in Hervest-Dorsten. Später verzog er nach Holsterhausen, wo seine Lebengefährtin starb. Ist Edmund Labendz ruhiger geworden? Nein – nicht im politischen Gespräch und in der Diskussion. Bis wenige Wochen vor seinem Tod suchte er Gespräche mit Freunden und Bekannten in einem Café unweit seiner Wohnung inder Freiheitsstraße, das er so um die Mittagszeit mit seiner Tochter Tatjana mehrmals in der Woche besuchte. In Gesprächen am Tisch brauchte nur ein Stichwort zu hören, da wurde dann das, was er als Neunzigjähriger aus der Erfahrung eines reichhaltigen Lebens zu welchem Thema auch immerzu sagen hatte, politisch links.
Siehe auch: Politiker (Artikelübersicht)
Siehe auch: Freie Deutsche Jugend
Siehe auch: Akkordeonorchester Dorsten
Siehe auch: KPD
Quellen: Wolf Stegemann „CDU: Labendz soll sich entschuldigen“ in RN vom 16. Mai 1986. – Gespräch Wolf Stegemann mit Edmund Labendz am 12. Mai 2011 und spätere. – Autorisiert von E. Labendz im Mai 2011.