Dorstener in Dreden hingerichtet – „Deutschland soll weiterleben!“
Von Wolf Stegemann – Abschiedsbriefe können in unterschiedlichen Situationen und aus verschiedenen Gründen geschrieben werden. Als in Stalingrad das große Sterben begann, schrieben viele Soldaten Abschiedsbriefe an Frau und Kinder, Geliebte und Eltern in der Hoffnung, dass ihnen diese Briefe nach ihrem Tod irgendwie zugestellt werden würden. Es gibt auch den Abschiedsbrief eines jungen Mannes aus Holsterhausen, ein Soldat, der ihn in der Zelle des Zuchthauses in Dresden im Bewusstsein seines nahen Todes geschrieben hatte. Er fand dabei Worte, die wegen ihrer Einfachheit ergreifen und erschüttern. Und er machte sich und den Eltern trotz der verzweifelten Situation Mut. Im Nachsatz freute er sich auf den Empfang durch die Engelein, die über seine Jugend staunen werden. Und er möchte, dass Deutschland lebe.
Im Morgengrauen des 25. Februar 1942 in Dresden erschossen
Der junge Obergefreite war wegen eines Handdurchschusses festgenommen und verurteilt worden. Wie seine Schwester glaubt, habe er aber nicht desertieren wollen. Wegen Selbstverstümmelung und somit Desertion wurde er zum Tode verurteilt und im Zuchthaus in Dresden im Morgengrauen des 25. Februar 1942 erschossen. Darüber hinaus ist nichts bekannt, da die Akten mit Anklage und Urteil nicht mehr aufzufinden sind. Der Brief ist an seine Eltern in Holsterhausen gerichtet. Zuletzt war das Schreiben im Besitz der Schwester des Soldaten. Auf Wunsch der beteiligten Familien wird dieser Fall anonymisiert veröffentlicht. Die Abschrift des Briefes erfolgt in angepasster Rechtschreibung: „Dresden, den 25. 4. 42. Liebe Eltern! Das letzte Lebewohl will ich euch senden. O Gott, ist die Welt schlecht. Seit nicht traurig, daß ich sterben muss, denn ihr habt ja noch den Friedhelm. Gerne wäre ich noch bei euch, aber es geht vielleicht nicht. Denn es muss ja auch Menschen geben, die unschuldig sterben müssen. Ja, das Leben war für mich nicht leicht. Aber ich habe schon alles überwunden. Liebe Mutter, sei nicht traurig, das Leben für uns Menschen ist ja nur ein Traum. Und meine Sachen, die kann der Friedhelm auftragen. Da wird er sich ja freuen. Grüsst alle Freunde und Bekannten von mir. Und ich wünsche euch allen von Herzen noch lange und frohe Gesundheit. Das ist mein letzter Brief, denn ich weiß nicht, warum ich Abschied nehme nach dem Jenseits. Aber eines [unleserlich] ich mir, dass Deutschland lebt und auch weiter leben wird, auch ohne mich. Es grüßt euch euer Sohn Walter. Ich habe gelebt, aber der Tod ist für uns Menschen das schönste. Und ich will ihm treu ins Auge sehen. Und freue mich auf den Empfang bei den Engelein. Sie werden ja staunen, so eine junge Seele zu empfangen.“
Die Rechnung der Hinrichtung erhielten die Eltern ein Jahr später
Mit diesem Brief wurde den Eltern aus dem Nachlass ihres Sohnes noch dessen „Brieftasche mit Inhalt“ zugeschickt. Die Heeresstandortverwaltung Detmold teilte den Eltern (ohne Anrede) unter Aktenzeichen W 154 mit, „dass Sie die Kriegsbesoldung Ihres verstorbenen Sohnes, Obergefr. Walter […] für Monat Juni erstatten müssen“. Es folgte die Mahnung: „Baldmöglichst“, dann endet der Brief des Stabszahlmeister grußlos. Der Dresdener Rechtsanwalt Georg Walcker „ersucht“ die Eltern fast ein Jahr später, am 17. Februar 1943, ihm für die Firma „Neue Dresdner Beerdigungs-Anstalt Otto Lamprecht & Co. GmbH“ innerhalb einer Wochenfrist“, mitzuteilen „wo Ihr Sohn versichert ist und in welcher Höhe“. Der Brief schließt mit dem Satz: „Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass von dieser Versicherungssumme […] in erster Linie die Nachlassverbindlichkeiten, insbesondere die Kosten der Beerdigung, zu decken sind. Heil Hitler! Rechtsanwalt“.
Quelle:
Wolf Stegemann in „Holsterhausen unterm Hakenkreuz“, Bd. 1, hg. vom Ökumenischen Geschichtskreis Holsterhausen 2007.